Lauberhorn: Fans kritisieren Organisatoren für «Horror»-Gedränge

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Interlaken-Oberhasli,

Besucherrekord am Lauberhorn und vier Podestplätze für die Schweiz – die Rennen waren ein voller Erfolg. Doch nun wird auch Kritik laut.

Lauberhorn
Das Weltcup-Dorf in Wengen wurde abgesperrt – vor den Gittern kam es zu grossem Gedränge. Fans üben jetzt Kritik. - Nau.ch-Leserreporterin

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Organisatoren der Lauberhorn-Rennen jubeln über einen Besucher-Rekord.
  • Währenddessen ärgern sich Fans: Sie sprechen von einem «Horror»-Gedränge.
  • Denn: Es kam zu langen Wartezeiten mitten im Gstungg – und Streitereien.

Zuschauerrekord in Wengen BE: 80'000 Fans haben die Ski-Rennen am Lauberhorn am Wochenende vor Ort mitverfolgt.

40'000 davon alleine am Samstag für die Abfahrt. Die Organisatoren jubeln.

OK-Präsident Urs Näpflin freute sich: «Es ist absolut unglaublich. Solch ein Wochenende hätte ich mir nicht erträumen können (...)»

Gehst du gerne an Ski-Rennen?

Kein Wunder: Die Zahlen dürften die Kassen ordentlich zum Klingeln gebracht haben. Und der Event war auch aus sportlicher Sicht ein voller Erfolg.

Am Freitag gewann Franjo von Allmen den Super-G, Stefan Rogentin wurde Dritter. Bei der Abfahrt gab es gar einen Schweizer DoppelsiegMarco Odermatt wurde Erster, von Allmen Zweiter.

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Marco Odermatt zeigt seine Zinn-Kanne am Lauberhorn. - SRF

Friede, Freude, Eierkuchen im Berner Oberland also?

Nicht nur. Nach der Abfahrt am Lauberhorn wird Kritik laut. Denn bei den Fans vor Ort löste die Menschenmasse Sicherheitsbedenken aus – und Ärger über die langen Wartezeiten.

«Riesige Masse»

Zuschauerin Milena Bähler* stellt nach der Abfahrt fest, dass die Wartezeit am Bahnhof Wengen zwei Stunden beträgt. Also trinken sie und ihre Kollegin noch einen Kaffee.

Doch als die beiden später die Beiz verlassen, ist das Gedränge deutlich schlimmer als vorher: «Das Weltcup-Dorf war voll. Darum hatte sich eine riesige Masse an Menschen vor den Absperrungen angesammelt.»

Um zum Bahnhof zu gelangen, müssen sich die beiden durch die dicht an dicht stehenden Fans kämpfen.

«Schon da war die Stimmung angespannt. Ich hörte immer wieder, wie sich Leute beschwerten.»

Als Bähler endlich beim Weltcup-Dorf vorbei ist, atmet sie auf. Aber nur, um ein paar Meter weiter auf eine weitere dicht gedrängte Menschenmenge zu stossen: Die Schlange für den Zug.

Menschenmenge nach Lauberhorn «für Kinder gefährlich»

Die Nerven liegen blank – nicht nur bei ihr.

«Für Kinder ist das hier gefährlich», sagt ein Fan neben ihr besorgt, als er die Warteschlange sieht. «Das kann nicht ihr Ernst sein», meint jemand anderes.

Bähler erzählt: «Keinen Zentimeter Platz gab es – Horror. So etwas habe ich noch nie erlebt.»

Bleibst du im Gedränge cool?

Und: Anders als noch am Nachmittag, gibt es nirgends eine Anzeige mit der ungefähren Wartezeit.

«Ich hatte keine Ahnung, wie lange die Schlange vorne noch war. Die Vorstellung, so stundenlang warten zu müssen, machte mir Angst

Lauberhorn
Während das Rückreise-«Gstungg» für Kritik sorgt, war die Stimmung am Lauberhorn vorher ausgelassen: Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider nach dem Doppelsieg neben Miha Hrobat (rechts), Mar - keystone

Auch ein Mitarbeiter zuckt nur mit den Schultern, als er nach der ungefähren Wartezeit gefragt wird. «Die Leute kommen in Wellen», sagt er.

Dorf voll – trotzdem dürfen weitere Fans rein

Zusätzlich unangenehm: «Viele waren betrunken und grölten herum, was andere natürlich nervte. Und auch die vielen Rucksäcke sorgten für Ärger.»

Eine Frau neben ihr habe ständig den Rucksack des Mannes vor ihr im Gesicht gehabt. «Irgendwann war sie so hässig, dass sie den Mann heftig wegschubste», beobachtet Bähler.

Was ihr jedoch besonders sauer aufstiess: «Als ein Zug kam, sah ich, dass tatsächlich Dutzende Leute ausstiegen, die auch noch ins Dorf gelassen wurden!»

Für sie ist klar: «Hier hätte man den Riegel schieben und einen Einreise-Stopp für Fans ohne Renn-Ticket durchsetzen müssen. Schon nur aus Sicherheitsgründen.»

Einreise-Stopp kaum umsetzbar

Lauberhorn-Sprecher Christoph Leibundgut versteht den Warte- und Gedränge-Frust der Zuschauerin zwar.

Doch er gibt bei Nau.ch zu bedenken: «Wengen ist ausschliesslich mit der Bahn erreichbar. Es führt keine Strasse ins Bergdorf.»

Die Bahnbetreiber hätten eine Transportpflicht. «Sie können den Menschen nicht einfach sagen, sie müssten ein Renn-Ticket kaufen, um hochzukommen!»

Ein Einreise-Stopp wäre also schwer durchzusetzen.

Braucht es am Lauberhorn-Rennen einen Einreise-Stopp für Fans ohne Ticket?

Zudem betont er, man habe nicht endlos Menschen auf dem Berg zugelassen.

«Die Abfahrt am Samstag war ausverkauft. Deshalb haben wir die Fans gebeten, nur mit Tickets an die Rennen zu kommen.»

Zudem habe das OK über die optimalen An- und Abreise-Wege informiert. Alle ohne Sportgeräte konnten laut Leibundgut auch mit der Gondelbahn über den Männlichen abreisen.

«Am Abend war dann auch im Weltcup-Dörfli die Kapazitätsgrenze erreicht, weshalb nicht alle Fans auf das Festgelände konnten.»

Und bei einem Schweizer Doppelsieg sei aber klar, dass besonders viele Fans abends mitfeiern wollten.

Streitigkeiten, Belästigung und Herzinfarkte

Tatsächlich kam es jedoch zu einigen Zwischenfällen, wie die Zahlen der Polizei und der Rettungskräfte zeigen.

140 Mal mussten die Retterinnen und Retter über die Renntage ausrücken, wie SRF berichtet. Auch das ein neuer Rekord für das Lauberhorn.

Es kam zu Schnittverletzungen, Knochenbrüchen und Herzinfarkten.

Wengen
Der Alkohol floss am Lauberhorn in Strömen. Es kam auch zu Streitigkeiten, wegen derer die Polizei gerufen wurde. - keystone

Dazu, ob das Gedränge nach dem Lauberhorn gefährlich war, kann die Kantonspolizei Bern auf Anfrage nichts sagen.

Nur: «Wir haben ein aussergewöhnlich hohes Besucheraufkommen gesehen», bestätigt Sprecherin Jessica Friedli.

Zudem ist «es zu Streitigkeiten gekommen, wegen derer die Polizei gerufen wurde. Verletzt wurde dabei niemand.»

Auch ein Fall von Belästigung wurde während dem Lauberhorn gemeldet.

Trotz des erhöhten Alkoholkonsums sei es also grösstenteils friedlich geblieben, so das Fazit der Kapo.

Lauberhorn will gegen Gedränge vorgehen

Auch Christoph Leibundgut vom Lauberhorn-OK zieht grundsätzlich ein positives Fazit. «Es gab insgesamt weniger als zehn Beschwerden auf unserer Geschäftsstelle», erklärt er.

«Es ging also trotz der vielen Fans mehr oder weniger gesittet zu und her. Trotzdem tut es uns natürlich leid für die einzelnen, die negative Erfahrungen gemacht haben.»

Lauberhorn
Den Schweizer Doppelsieg von Marco Odermatt (rechts) und Franjo von Allmen sahen 40'000 Menschen live vor Ort. - keystone

Obwohl er betont, dass nach einer Lauberhorn-Abfahrt immer mit Wartezeiten bei der Abreise gerechnet werden muss, verspricht er: «Wir prüfen, wie wir die Gästeströme noch besser lenken können».

*Name von der Redaktion geändert

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