Berner Statthalteramt muss Tempo 30 an Länggassstrasse überdenken

Bern,
Die Tempo-30-Zone an der Länggassstrasse in Bern ist vorerst gestoppt. Das Verwaltungsgericht hat eine Beschwerde gutgeheissen.

Die zuständige Regierungsstatthalterin muss bei der geplanten Tempo-30-Zone an der Stadtberner Länggassstrasse nochmal über die Bücher. Gegen das Vorhaben ging eine Beschwerde ein, die das Berner Verwaltungsgericht nun gutgeheissen hat.
Das bestehende Gutachten rechtfertige die angestrebte Temporeduktion nicht ausreichend, kam das Gericht zum Schluss. Es hat das Urteil der Vorinstanz deshalb aufgehoben und zur Neubeurteilung ans Regierungsstatthalteramt Bern-Mittelland zurückgewiesen. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Urteil hervor.
Konkret geht es dabei um die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h an der Stadtberner Länggassstrasse sowie der angrenzenden Sidlerstrasse und am Falkenplatz. Die Stadt Bern strebt an, diesen Bereich in eine bestehende Tempo-30-Zone zu integrieren.
Gegen diesen Entscheid aus dem Jahr 2019 erhob eine Gruppe von Gewerbetreibenden aus dem Quartier Beschwerde beim Regierungsstatthalteramt. Nachdem Letzteres die Beschwerde abgewiesen hatte, zogen die Beschwerdenführenden weiter vor Verwaltungsgericht. Sie beanstandeten das Gutachten der Stadt als «unvollständig und mangelhaft».
Gutachten unzureichend für Temporeduktion
Die Stadt Bern und die zuständige Regierungsstatthalterin Ladina Kirchen (SP) begründeten die Massnahme in erster Linie mit der Verkehrssicherheit. So seien die Verhältnisse an den Knotenpunkten meist komplex und die Sichtverhältnisse schlecht, zudem würden die bestehenden Parkfelder insbesondere für Velofahrende Konfliktpotenzial bergen.

Anders als die Vorinstanz kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass dies eine Tempo-30-Zone nicht rechtfertige. Dabei verwies es insbesondere darauf, dass die Stadt in der Zwischenzeit einen Teil der Parkfelder aufgehoben hat, um durchgehende Velostreifen zu errichten. Andere Begründungen wie etwa die Lärmemissionen seien im Gutachten nicht ausreichend geprüft worden.
Unterscheidung zwischen verkehrsorientierten und nicht verkehrsorientierten Strassen
Ferner im Zentrum des Urteils stand die Unterscheidung zwischen verkehrsorientierten und nicht verkehrsorientierten Strassen. Bei nicht verkehrsorientierten Nebenstrassen erfordert die Einführung von Tempo-30-Zonen nämlich kein ausführliches Gutachten.
Die Stadt machte unter Berufung auf den kantonalen Strassennetzplan geltend, die Länggassstrasse sei nicht verkehrsorientiert. Anders sah es das Verwaltungsgericht, zumal es sich dabei um eine wichtige Ein- und Ausfallachse handle, welche die Stadt mit dem Agglomerationsgürtel verbinde.
Das Gericht klassifizierte hingegen die Sidlerstrasse und die Verbindungsstrasse beim Falkenplatz als nicht verkehrsorientiert. Weil eine Erweiterung der Tempo-30-Zone auf diese Abschnitte jedoch von der Länggassstrasse abhängt, ist das Urteil auch auf sie anwendbar.
Stadt hat «erheblichen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum»
Das Verwaltungsgericht betonte im Urteil allerdings auch, dass die Stadt als verfügende Behörde bei Verkehrsbeschränkungen «einen erheblichen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum» habe, zumal sie die örtlichen Verhältnisse kenne und überblicke.
So sei es nicht im vornherein ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen mit verbesserten Begründungen rechtsgenüglich dargelegt werden könnten. Diesen Aspekte hob denn auch die Stadt Bern hervor: «Die Möglichkeit, auf der Länggassstrasse Tempo 30 einzuführen, hat das Urteil explizit offengelassen», schrieb der Informationsdienst auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Die Stadt gehe demnach weiterhin davon aus, dass eine Temporeduktion auf der teilweise engen, lärmbelasteten und vom Fuss- und Veloverkehr stark frequentierten Länggassstrasse sinnvoll und verhältnismässig sei. Dies werde jedoch das weitere Verfahren aufzeigen müssen.