Nach Blatten: Könnte auch Kandersteg BE verschüttet werden?

Nachdem das gesamte Dorf Blatten von einem Bergsturz ausradiert wurde, stellt man sich in Kandersteg BE die Frage: Kann das auch uns passieren?

Das Wichtigste in Kürze
- Das Dorf Blatten im Walliser Lötschental wurde am Mittwoch von einem Bergsturz zerstört.
- Auch in Kandersteg bedroht ein Berg das Dorf seit Jahren.
- Zwischen den beiden Gebieten gebe es Parallelen, so ein Experte.
Am Mittwoch geschah im Lötschental das schier Unfassbare. Das Dorf Blatten wurde von einem Bergsturz beinahe komplett ausradiert.
Rund 300 Personen haben aufgrund der Naturkatastrophe alles verloren. Und noch immer ist die Gefahr für Blatten und das Lötschental nicht gebannt.
In der ganzen Schweiz ist man geschockt über das Ausmass der Katastrophe, die vermutlich ein Menschenleben gekostet hat.
In Kandersteg bedroht der «Spitze Stei» das Gebiet
Besonders betroffen schaut man auf der anderen Seite der Alpen – in Kandersteg BE – ins Lötschental und nach Blatten.
Denn: Auch das Berner Oberländer Dorf unterhalb des weltberühmten Öschinensees wird von einem instabilen Berg bedroht. Und das schon seit Jahren.
Der «Spitze Stei» oberhalb des Dorfes sorgt seit 2019 immer wieder für Aufregung.
Könnte es im Berner Oberland zu einem Szenario wie in Blatten kommen?
Insgesamt bewegt sich dort eine Fläche von gut einem halben Quadratkilometer, wie die «Berner Zeitung» berichtet. Dies momentan mit 0,4 Zentimetern Geschwindigkeit pro Tag.
Insgesamt sind es rund 16 Millionen Kubikmeter Fels, die ins Tal stürzen könnten. Zum Vergleich: In Blatten reichten drei bis fünf Millionen Kubikmeter, um das gesamte Dorf zu begraben.
Doch bedeutet das, dass auf Kandersteg noch eine grössere Katastrophe als in Blatten zurollen könnte? Und kann man die beiden Gebiete überhaupt miteinander vergleichen?
Permafrost in beiden Fällen ein Faktor
Gegenüber der «BZ» erklärt Nils Hählen, Leiter der Abteilung Naturgefahren des Kantons Bern: «Es gibt verschiedene Parallelen.»
So zum einen der zurückgehende Permafrost. Dieser habe in Blatten eine Rolle gespielt und mache auch dem «Spitze Stei» zu schaffen.
Aber eine Gletscherproblematik wie in Blatten besteht in Kandersteg nicht. Trotzdem ist die Gefahr von Murgängen laut Hählen in beiden Gebieten etwa gleich hoch.
Immerhin ist ein akutes Bergsturzszenario gerade nicht zu erwarten: «Wir haben keine Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass ein Ereignis unmittelbar bevorsteht.»
Für künftige Ereignisse aus der Lage im Lötschental lernen
Dennoch könne man viel aus der Lage im Lötschental lernen.
Denn: «Gerade im Hinblick auf die Murgänge ist der Fall Blatten sehr interessant für uns», so Hählen.
Man hoffe darauf, Erkenntnisse aus der Lage im Wallis zu ziehen. Dies, um künftige Ereignisse besser vorauszusagen, die andere Gebiete betreffen würden.
Der «Spitze Stei» wird «Teile von Kandersteg unter sich begraben»
Dass auch Kandersteg zu den künftigen Ereignissen gehören könnte, glaubt indes der Briger Hotelier und ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann.

«Permafrost ist der Leim der Alpen. Wenn er schmilzt, wird man noch mehr Bergstürze erleben», meint er gegenüber der «Berner Zeitung».
Und fügt an: «Nächstens in Kandersteg, in der Heimat von Adolf Ogi und Albert Rösti. Die Steinlawinen des Spitzen Steins werden Teile von Kandersteg unter sich begraben.»
Kandersteg hat «vorausschauend gehandelt»
Dem widerspricht SVP-Alt-Bundesrat Ogi vehement. «Der Berg hat in Blatten seinen Halt verloren. Was im Lötschental geschehen ist, kann man nicht in Worte fassen.»

Es gelte nun, einen kühlen Kopf zu bewahren und überlegt zu handeln, so Ogi weiter. Er glaube aber nicht, dass Kandersteg verschüttet werde.
Denn: «Die Gemeinde hat vorausschauend gehandelt und alle erdenklichen Schutzmassnahmen getroffen. Von erhöhten Dämmen über modernste Messsysteme bis zur Sperrung sensibler Zonen.»