Homeschooling gegen den Willen des Vaters – erlaubt?

Familien-Drama mit ungewissem Ausgang: Eine Mutter will ihren Sohn ins Homeschooling stecken. Der Vater ist strikt dagegen – und verzweifelt zunehmend.

Das Wichtigste in Kürze
- Vater und Mutter haben gemeinsames Sorgerecht, aber Streit um Schulwahl.
- Die Mutter will Homeschooling, der Vater fordert eine internationale Schulbildung.
- Ohne Zustimmung beider Eltern ist Homeschooling rechtlich nicht zulässig.
Wenn sich die Liebe verabschiedet, tauchen die Probleme auf. Nau.ch hat von einem Fall erfahren, der nun weitere Kreise zieht. Und künftig wohl auch Gerichte und Behörden beschäftigen wird.
Doch der Reihe nach: Ein Brite zieht der Liebe wegen in die Schweiz. Er gibt seine Karriere in London auf, heiratet eine Schweizerin, übernimmt als Hausmann sämtliche Haushaltsarbeiten.
Das Paar lebt in der Deutschschweiz, bekommt ein Kind. Doch schon bald ändert sich die Lebenssituation drastisch: Ohne Rücksprache unterzeichnet die Ehefrau einen Mietvertrag in einem abgelegenen Bergdorf. Der Mann sieht sich gezwungen, mitzugehen.
Vom Hausmann zum Alleinkämpfer
Ein Jahr später zerbricht die Ehe. Zurück bleibt ein arbeitsloser Vater ohne festen Wohnsitz, ohne soziales Netz. Und mit der realen Gefahr, in sein Heimatland zurückkehren zu müssen. Und damit auch die Beziehung zu seinem Sohn zu verlieren.
Dank der Hilfe einer Schweizer Familie findet er eine Unterkunft in einer Wohngemeinschaft und eine Arbeit im Sicherheitsdienst. Heute lebt er in einer deutschschweizer Stadt, arbeitet 70 Prozent und darf seinen Sohn 48 Stunden pro Woche sehen.
Eine Regelung, die ihn unzufrieden zurücklässt, da er sich eigentlich ein gemeinsames Betreuungsmodell, das Wechselmodell, wünschte.
Streitpunkt Bildung: Homeschooling gegen internationale Schule
Nun steht ein neuer Konflikt ins Haus: die Einschulung des Sohnes. Die Mutter lebt weiterhin im abgelegenen Dorf und befürwortet dort das Homeschooling, das in der kleinen Gemeinde aktiv gefördert wird.
Der Vater hingegen spricht sich strikt gegen diese Form der Beschulung aus. Er befürchtet, dass sein Sohn in eine isolierte und weltfremde Umgebung gerät. Er beschreibt das Leben der Mutter mittlerweile als «sektenähnlich».
Zudem wirft er seiner Ex-Partnerin Manipulation, Kontrolle und Lügen vor. Eine zentrale Zusage – dass das Kind eine internationale Schulbildung erhalten solle – sei nie eingehalten worden.
Besonders kritisch sieht er die vorgeschobenen Argumente der Mutter, die sich auf die psychische Verfassung des Kindes berufe. Diese sollen die Einschulung in den regulären Kindergarten verhindern.
Was im Scheidungsvertrag steht
Der Mann legt Nau.ch sein Scheidungsabkommen vor. Es zeigt: Beide Elternteile haben das gemeinsame Sorgerecht. Die Obhut (also der hauptsächliche Aufenthaltsort) liegt jedoch bei der Mutter.
Bei Uneinigkeiten über das Kindeswohl haben sich beide verpflichtet, eine professionelle Stelle wie die KESB einzubeziehen.
Zur Besuchsregelung heisst es, der Vater habe Anspruch auf 48 Stunden wöchentlichen Kontakt, verteilt auf Wochenenden und Wochentage. Immer nach Vereinbarung und unter Berücksichtigung der Arbeitszeiten beider Elternteile.
Ausserdem darf er drei Wochen Ferien pro Jahr mit dem Kind verbringen. Sollte er sich länger im Ausland aufhalten, steht ihm der Kontakt per technischen Hilfsmitteln zu – etwa via Videoanruf.
Das Recht ist auf der Seite des Vaters
Nau.ch hat bei einem auf Scheidungsrecht spezialisierten Anwalt nachgefragt, welche Handhabe der Vater in diesem Fall hat. Speziell, was das Homeschooling betrifft.
Es gibt gute Nachrichten für den Briten. Raphael Kolly von der Kanzlei BZW Law sagt: «Die Schulwahl muss im vorliegenden Fall von beiden Elternteilen gemeinsam getroffen werden, da beide die elterliche Sorge innehaben.»
Grundsätzlich müsse die Mutter bei der Kindesschutzbehörde den Antrag stellen, dass das Kind im Homeschooling unterrichtet werden soll.
Was, wenn die Mutter dies nicht tut und das Kind ohne Zustimmung des Vaters oder der behördlichen Bewilligung im Homeschooling unterrichtet?
«Dann müsste der Vater den Sachverhalt bei der Kindsschutzbehörde vorbringen», sagt Kolly. Diese kann dann über das weitere Vorgehen entscheiden.
Dies gelte übrigens nicht nur für das Homeschooling. Wenn immer beide Elternteile die elterliche Sorgepflicht teilen, ist bei Meinungsverschiedenheiten die Kindesschutzbehörde anzurufen.
Bislang noch kein Anruf der Kinderschutzbehörde
Gemäss Auskunft des Briten hat die Mutter die Kinderschutzbehörde bislang nicht angerufen. Sein Kind würde im Sommer eingeschult. Die Mutter will die Einschulung aber zurückhalten, bzw. um ein Jahr verschieben.
«In dieser Zeit will sie unseren Sohn während zwei Tagen pro Woche daheim auf die Schule vorbereiten», erklärt der Mann.
Kein klassisches Homeschooling also, weil das Kind noch gar nicht eingeschult ist. «Ihre Absichten für die Zukunft sind für mich aber glasklar», fürchtet der Brite. Leider habe er sie nicht in schriftlicher Form.
Immerhin: Sobald das Kind definitiv eingeschult wird, ist das Recht auf der Seite des Mannes. Ohne Vermittlung durch eine Kinderschutzbehörde kann die Mutter das Homeschooling nicht legal durchsetzen.
Trotzdem scheint das letzte Wort in diesem Fall nicht gesprochen. Dem Briten dürften noch einige unangenehme Termine und Gespräche bevorstehen.