Guetzli statt Güezi: Denner-Kampagne brüskiert Berner – «Geht nicht»

Bern,
Denner will sich mit einer neuen Schweizerdeutsch-Kampagne von Aldi und Lidl abgrenzen. Doch: In Bern schmerzen wegen vermeintlich Zürcher Wörtern die Ohren.
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Das Wichtigste in Kürze
- Denner stänkert mit einer Schweizerdeutsch-Kampagne gegen Aldi und Lidl.
- Doch Berner kritisieren Denner für die vermeintlich Zürcher Wörter.
- Eine Nau.ch-Umfrage zeigt: Die Debatte ist auch eine Generationenfrage.
- Ein Sprachforscher klärt auf: Es liegt hier ein entscheidendes Missverständnis vor.
Verbale Kampfansage gegen die Konkurrenz aus Deutschland!
In seiner neuen Kampagne neckt der Discounter Denner seine beiden deutschen Mitbewerber Aldi und Lidl. Denner betont dabei seine Swissness mit Slogans wie «Müesli statt Müsli» oder «Poulet statt Huhn».
Denner erklärt: «Mit einem Augenzwinkern gegenüber unserer deutschen Konkurrenz verkünden wir, wer das ‹Discounter-Original in der Schweiz› ist.» Deutsche Produktbezeichnungen sind somit Tabu – im Gegensatz zur Konkurrenz.
Doch: In Bern stösst der Discounter nicht nur auf offene Ohren. Einige Berner Ohren schmerzen wegen der Kampagne sogar!
Für Kopfschütteln sorgt etwa der Spruch «Guetzli statt Kekse».
«Das tut in Berner Ohren einfach weh»
Auf Linkedin ärgert sich ein Berner über die Kampagne: «Im Kanton Bern heissen Kekse Güezi oder selten auch Chrömli. Guetzli ist Züridütsch und Züri liegt für uns Berner Oberländer eigentlich schon ebenso im Ausland wie die Heimat der Kekse.»
Auch eine Kolumnistin der «Berner Zeitung» schüttelt den Kopf. «‹Rahm statt Sahne› – das tut in Berner Ohren einfach weh», heisst es dort etwa. Im Bernbiet sage man dazu schliesslich «Nydle».
Ein alltäglicher Begriff oder ein längst ausgestorbenes Wort? Nau.ch macht in den Berner Strassen die Umfrage.
Und diese zeigt: Ob man von «Rahm» oder von «Nydle» spricht, ist insbesondere eine Frage des Alters.
Alfred (78) findet die Kampagne «grundsätzlich nicht schlecht». Aber: «Es sollten Wörter sein, die hier hinpassen. Begriffe wie ‹Rahm› gehen gar nicht!»
Seiner Meinung hätte Denner die Kampagne regional anpassen müssen. «Es ist schade, wenn die Dialekte vermischt werden», findet er.
Ganz anders sieht das Yannick (24). «Heutzutage vermischt sich das alles stark», beobachtet er. «Es ist sicherlich schön, wenn gewisse Dinge erhalten werden können. Aber im Grossen und Ganzen bin ich sicherlich immer für eine Vermischung.»
Berner Seniorin: «Viele verstehen ‹Nydle› nicht mehr»
Beatrice (77) meint: «Sicherlich braucht man das Wort ‹Rahm›. Viele verstehen ‹Nydle› nicht mehr. ‹Rahm› ist noch immer besser als ‹Sahne›.»
Salome (41) sagt zwar auch «Nydle», findet die Werbung aber der «Hammer». Denn: «Wenn der Denner aus vielen verschiedenen Dialekten rausliest, ist das auch nicht schlecht.»
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«Ich sage häufiger ‹Rahm›, werde aber jeweils von meiner Familie schnell korrigiert», gesteht Solange (22). Sie wolle aber mehr typisch Berndeutsche Wörter verwenden. «Ich finde es schön, wenn eine Sprache oder ein Dialekt erhalten bleibt.»
Denner-Sprecher Thomas Kaderli rechtfertigt bei Nau.ch die Kampagne: «Die Begriffe werden nicht ausschliesslich im Kanton Zürich verwendet. Rahm und Guetzli werden überregional genutzt und gehören zu den häufigsten Dialektvarianten.»
Deshalb sei die Wahl auf diese Wörter gefallen.
Denner verzichtet bewusst auf regionale Nuancen
Auf regionale Anpassungen der Kampagne habe Denner bewusst verzichtet: «Die Ausprägungen der Schweizer Dialekte sind zu zahlreich. Und die Grenzen sind zu wenig trennscharf, um die Ausdrücke an jede regionale Nuance anzupassen.»
Was sagt der Discounter dazu, dass «Rahm» oder «Guetzli» in Berner Ohren «weh tun»?
Thomas Kaderli sagt: «Eine Ferndiagnose ist natürlich schwierig, zumal wir uns besser mit Lebensmitteln als mit Medikamenten auskennen. Bei Ohrenschmerzen können aber auch bewährte Hausmittel wie Apfelessig oder Zwiebelsäcklein helfen.»
Beide Zutaten fänden sich bei Denner.
Sprachforscher: Guetzli sowohl Schweizer Standarddeutsch als auch Dialekt
Doch wie ist die Kampagne aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu beurteilen? Sprachexperte Sandro Bachmann erklärt gegenüber Nau.ch, dass bei der Kritik ein Missverständnis vorliegt.
Begriffe wie «Guetzli», «Poulet» oder «Rahm» sind in der vorliegenden Kampagne nämlich nicht als Schweizerdeutsch aufzufassen. Sondern als Schweizer Standarddeutsch.

«Dass sie als Dialekt aufgefasst werden, dürfte eine Verwechslung und so nicht intendiert sein. Es geht in der Kampagne nämlich wohl auch darum, dass die Produkte im Laden auch so angeschrieben sind.»
«Wie emotional die Reaktion ausfällt, dürfte also sehr individuell sein», erklärt er. «Und zudem nur dann passieren, wenn man die Wörter in der Kampagne überhaupt als Dialekt auffasst.»
Dazu komme: Nicht nur in Bern droht Verwechslungs-Alarm.
Denn: «Ältere Sprecherinnen und Sprecher sagen je nachdem auch in Zürich ‹Niidel› oder ‹Nidel›», weiss Bachmann.
Und ein weiteres Beispiel: «Im Wallis würde auf Dialekt niemand ‹Guetzli›, sondern ‹Bisgui› sagen, und dennoch ist die standarddeutsche Variante auch dort Guetzli.»