Bettler beschimpft Beiz-Gast – weil er ihm kein Menü kauft
Bern 06.10.2024 - 08:25
Zmittag-Frust am Bahnhof Bern: Bei diversen Beizen werden vermehrt Gäste während des Essens um Geld gebeten – teilweise eskaliert es gar.
Das Wichtigste in Kürze
- In einem Gebiet beim Bahnhof Bern werden Beiz-Gäste um Geld gebeten.
- Teilweise eskaliert es – in einem Fall wurde ein Schüler beschimpft, weil er nichts gab.
- Der Sozialdienst betont, dass dahinter meist eine schwierige soziale Lage stecke.
Jason Gerber* (20) gönnt sich Ende September während der Schulpause ein Zmittag in der Welle 7 beim Bahnhof Bern. In dem Bahnhofsgebäude gibt es diverse Beizen – darunter eine der Fast-Food-Kette KFC.
«Ich habe mir etwas zu essen geholt und mich hingesetzt. Kaum sass ich dort, sprach mich ein Typ an», erzählt der Schüler Nau.ch. «Er fragte mich, ob ich ihm ein Menü bezahlen kann.»
Ein ganzes Menü mit Getränk kostet um die 15 Franken, je nach Produkt auch mehr. Für den jungen Berner zu viel. «Ich habe höflich gesagt, dass ich das leider nicht möchte», sagt er.
Vermehrt McDonald's-Gäste «wegen Geld angesprochen»
Eine Antwort, die der Bettler nicht akzeptieren will – er beginnt, Gerber zu beschimpfen. «Du bist kein Mann», wettert er. «Du hast kein Herz!» Dann macht er sich aus dem Staub.
Kein Einzelfall: Direkt gegenüber des KFC, auf der anderen Strassenseite, liegt eine McDonald's-Filiale. Dort kennt man ähnliche Zwischenfälle, wie Sprecherin Béatrice Montserrat auf Anfrage von Nau.ch bestätigt.
«In der Region haben in den letzten Wochen vermehrt Menschen unsere Gäste auf der Terrasse wegen Geld angesprochen.» Betroffen seien auch andere Gastronomiebetriebe rund um die Welle 7 und den Postparc. Beide Gebäude befinden sich oberhalb der Gleise am Hauptbahnhof.
«Unsere Teams fordern diese dann jeweils auf, die Gäste ungestört essen zu lassen und weiterzugehen. So können wir die Situation jeweils gut klären.»
Zu den Vorfällen können weder die Kantonspolizei Bern noch der SBB-Sicherheitsdienst Transsicura auf Anfrage von Nau.ch etwas sagen.
Hinter aggressivem Betteln «steckt meist schwierige soziale Lage»
Silvio Flückiger, Leiter des Berner Sozialdiensts Pinto, betont bei Nau.ch: «Meist steckt hinter dem aggressiven Betteln ein hoher Druck in einer schwierigen sozialen Lage.»
Die allermeisten Menschen am Rand der Gesellschaft würden sich ruhig verhalten. Jetzt im Herbst sei es aber so, dass Obdachlose intensiver nach einer Unterkunft suchen. «Dies äussert sich aber nur äusserst selten in aggressiverem Verhalten.»
Um Betroffenen zu helfen und den Rest der Bevölkerung vor Beschimpfungen zu schützen, setzt Pinto auf diverse Massnahmen, so Flückiger. «Beispielsweise intervenieren wir bei störendem Verhalten im öffentlichen Raum und suchen mit Menschen, die aggressiv auffallen, das Gespräch.»
Zudem sei die Stadt Bern dafür besorgt, genügend Notschlafplätze zur Verfügung zu stellen. Wer für Sozialhilfe berechtigt ist, erhalte finanzielle Unterstützung und Sozialarbeiterinnen und -arbeiter stehen Betroffenen zur Seite.
Betteln am Tisch verboten
KFC hat keine Reklamationen über Bettler erhalten, wie es auf Anfrage heisst. Bei den Tischen der Fast-Food-Kette herrsche aber ein Bettel-Verbot. Wer das missachte, werde weggewiesen.
Auch Federica Castellano von der Genossenschaft Migros Aare, der die Welle 7 gehört, betont, dass Betteln verboten ist. «Bettelnde werden vom Sicherheitsdienst freundlich zum Verlassen unserer Gebäude aufgefordert.» Eine Häufung von Reklamationen habe es aber diesbezüglich nicht gegeben.
*Name von der Redaktion geändert