Bern: «Falscher Polizist» knöpft Senioren Geld ab - verurteilt!

Bern,
In Bern stand ein geständiger «falscher Polizist» vor Gericht. Der 36-Jährige wurde verurteilt, aber direkt nach dem Prozess auf freien Fuss gesetzt.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein 36-jähriger Schweizer wurde wegen systematischen Telefonbetrugs verurteilt.
- Der Mann und seine Komplizen knöpften mit einer Polizisten-Masche rund 500'000 Franken ab.
- Das Berner Wirtschaftsstrafgericht sprach eine teilbedingte Freiheitsstrafe aus.
Mehr als ein Dutzend ältere Menschen fielen auf diese Geschichte herein: Zuerst ruft ein angeblicher Polizist, Sicherheitsbeauftragter einer Bank oder ein Bankmitarbeiter an. Diese Person fordert dringende Unterstützung, um angeblich korrupte Bankmitarbeiter oder Einbrecherbanden zu überführen.
Wer zögert, wird verängstigt, unter Druck gesetzt und mit Instruktionen überhäuft. Das Geld solle sofort abgehoben und überbracht werden, heisst es. Wer vertraut, verliert. Nun stand ein Mann, der hinter vielen solcher Anrufe steckte, erstmals in der Schweiz vor Gericht – und wurde verurteilt. Darüber berichtet das SRF-Regionaljournal «Bern Freiburg Wallis»
Der 36-jährige Schweizer hatte zwischen Juni 2020 und November 2021 zusammen mit einer Bande von Telefonbetrügern insgesamt 14 Senioren kontaktiert. Bei sieben von ihnen kam es zu einer Geldübergabe.
In anderen Fällen scheiterte die Täuschung, doch der Versuch allein reichte für eine Anklage. Der Gesamtschaden beläuft sich auf rund eine halbe Million Franken. Die älteste Person war zur Tatzeit 92 Jahre alt.
Hauptsitz der Betrüger war in der Türkei
Die Betrüger gingen arbeitsteilig vor: Sogenannte «Keiler» erschlichen in Telefongesprächen das Vertrauen der Opfer. «Logistiker» waren für die Rekrutierung von Personen verantwortlich, die das Geld oder die Wertsachen abholen konnten.
Der Hauptsitz der Bande lag laut den Ermittlungen in der Türkei. Von dort aus koordinierten die Hintermänner ihre Komplizen in der Schweiz. Der nun verurteilte Schweizer spielte in diesem Netzwerk eine doppelte Rolle.
Er trat sowohl als Anrufer als auch als Logistiker auf – und war damit ein zentraler Knotenpunkt des kriminellen Systems. Die Berner Staatsanwaltschaft berichtete von einem ranghohen «falschen Polizisten».
Lange konnten sich die Täter hinter dem Schutz der internationalen Grenzen verstecken. Doch dann schnappte die Polizei zuerst in der Schweiz sogenannte Abholer. Danach konnte der 36-Jährige schliesslich 2024 in der Türkei gefasst und an die Schweiz ausgeliefert werden.
Die Bundesanwaltschaft leitete die Ermittlungen. Sie bereitete eine Anklage vor, die schliesslich am gestrigen Montag vor dem Berner Wirtschaftsstrafgericht verhandelt wurde.
«Stärker zu bestrafen, als jemand, der eine Grossbank betrügt»
Da der Mann im Vorfeld alle Taten zugegeben hatte, gab es ein abgekürztes Verfahren. Das Gericht betonte bei dem Prozess, dass der Mann zahlreiche Informationen an Polizei und Staatsanwaltschaft weitergegeben habe.
Es wurde erwähnt, wie aussergewöhnlich dies sei, da in der organisierten Kriminalität normalerweise geschwiegen werde. Die Richterin fand in der Urteilsbegründung dennoch klare Worte: «Wer sich bewusst alte Menschen als Opfer aussucht, ist stärker zu bestrafen, als jemand, der etwa eine Grossbank betrogen hat.»
Das Gericht folgte in weiten Teilen der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die ihn wegen gewerbsmässigem Betrug und Geldwäscherei anklagte. Der Mann wurde zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten, davon zwölf Monate unbedingt, verurteilt.

Weil der Schweizer bereits über ein Jahr in Untersuchungshaft verbracht hatte, wurde er nach der Urteilsverkündung auf freien Fuss gesetzt. Die restliche Strafe wurde unter fünfjähriger Bewährung ausgesetzt.
Zur Probezeit von fünf Jahren sagte die Richterin: Der Angeklagte habe mit 36 Jahren noch keine abgeschlossene Ausbildung, darum sei die Versuchung gross, wieder straffällig zu werden. «Wenn er sich nur etwas Kleines zu Schulden kommen lässt, dann sitzt er wieder.»
Ein erster Schritt – aber kein Ende
Die Strafverfolgungsbehörden sehen in dem Urteil einen Meilenstein. Es ist das erste Mal, dass in der Schweiz ein hochrangiger Mittäter dieser Art von Telefonbetrug verurteilt wurde.
Normalerweise schnappt die Polizei jene Männer und Frauen, die das Geld von den Opfern in Empfang nehmen. Wer die Fäden zieht, bleibt im Hintergrund. Nicht so in diesem Fall.