FC Thun: Präsident Gerber im Interview zum 125-Jahr-Jubiläum
Thun 02.09.2023 - 04:05
Der FC Thun schliesst am Sonntag die Feiern zum 125-Jahr-Jubiläum ab. Nau.ch schaut im Interview mit Präsident Andres Gerber zurück – und blickt in die Zukunft.
Das Wichtigste in Kürze
- Der FC Thun feiert in in diesem Jahr sein 125-Jahr-Jubiläum.
- Nau.ch hat im Interview mit Präsident Andres Gerber zurückgeschaut.
- Der ehemalige Captain und Sportchef wagt auch einen Blick in die Zukunft.
Der FC Thun schliesst am Wochenende die Feierlichkeit zum 125-Jahr-Jubiläum ab. Keiner hat den Fussballclub aus dem Berner Oberland in den letzten 20 Jahren so geprägt wie Andres Gerber (50). Er war beim FCT Spieler, Captain, Sportchef und jetzt Präsident.
Im Interview mit Nau.ch blickt er zurück und spricht über seine verschiedenen Rollen sowie die Zukunft des Clubs.
Nau.ch: Am Wochenende bestreiten die «Thun Legenden» gegen die YB Old Stars ein Jubiläumsspiel. Stehen Sie auch auf dem Platz?
Andres Gerber: Hm, ist noch unsicher (lacht).
Nau.ch: Warum?
Andres Gerber: Ich bin vorher noch bei einem Talk auf dem Podium. Ich habe den Verantwortlichen gesagt, dass ich dann nicht in der Startaufstellung stehen kann, es wird zeitlich knapp. Zudem brauche ich immer mehr Zeit zum Einlaufen, ich bin nicht mehr so fit.
Nau.ch: Treiben Sie keinen Sport mehr?
Andres Gerber: Seit Jahren nicht mehr richtig. Ich bin nach wie vor aktiv, gehe viel zu Fuss, nehme die Treppe statt den Lift. Ich lebe gesund und achte auf die Ernährung. Aber ich verzichte auf alles, was ein bisschen mit Leistungssport zu tun hat, das hatte ich in meinem Leben genug.
Nau.ch: Sie waren beim FC Thun Spieler, Captain, Sportchef und jetzt Präsident. Welche Rolle hat Ihnen am besten gefallen?
Andres Gerber: Das kann ich nicht sagen. In jedem Abschnitt, in jedem Bereich oder Funktion gab es unglaublich schöne und unglaublich mühsame Momente. Heute möchte ich nicht mehr Spieler sein, und auch den Job des Sportchefs hatte ich dann einmal gesehen.
Nau.ch: Tönt das ein bisschen resigniert?
Andres Gerber: Nein, im Gegenteil! Ich hatte wunderbare Zeiten als Spieler beim FC Thun mit dem Champions League-Märchen. Und als Sportchef zum Beispiel wieder das Comeback in Europa mit Trainer Urs Fischer. Aber ich finde, mein aktueller Job als Präsident passt am besten zu einem inzwischen 50-Jährigen.
Es ist auch sehr befriedigend, den ganzen Erfahrungsschatz täglich brauchen und weitergeben zu können. Und die Verantwortung für einen solchen Club zu tragen, auch wenn es eine grosse Herausforderung ist.
Nau.ch: Wohl kein anderer Schweizer Club hat in den letzten 20 Jahren so viele Hochs und Tiefs und erlebt wie Thun. Champions League, Skandale, Ab- und Aufstiege und ein Stadion-Neubau …
Andres Gerber: Ja, ich bin seit 20 Jahren bei Thun. Ein Wahnsinn, was ich alles erlebt habe. Als Spieler, als Mensch und mit dem Club. Das ist das Faszinierende an Thun, es ist kein Club wie jeder andere.
Clubs mit einer vergleichbaren Grösse wie vielleicht Schaffhausen oder Aarau kann man eben doch nicht mit uns vergleichen.
Nau.ch: Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Andres Gerber: Die Geschichte mit der Champions League war unglaublich. Als kleiner Club plötzlich in der Königsklasse zu spielen. Das war, glaube ich, eine einmalige Sache im Fussball.
Nau.ch: Mit welchen Spielern aus der Mannschaft von 2006 haben Sie noch Kontakt?
Andres Gerber: Wenig eigentlich. Mit Nelson Ferreira, der im Staff des FC Thuns ist und im Nachwuchs und im Bereich «Engagement» tätig ist. Und natürlich mit Mauro Lustrinelli, der unser Trainer ist. Für das Spiel am Sonntag kommen zum Beispiel Silvan Aegerter oder Armand Deumi, ich freue mich auf ein Wiedersehen.
Sonst eher weniger, mein Fokus liegt auf der Gegenwart und vielleicht in der Zukunft. Die Vergangenheit lasse ich lieber Vergangenheit sein und geniesse die Erinnerungen.
Nau.ch: Was hätten Sie jemandem geantwortet, der damals zu Ihnen gesagt hätte, dass Sie einmal Präsident des FC Thun sein werden?
Andres Gerber: Absolut unmöglich (lacht)! Und jetzt bin ich es. Ich merke bei mir und bei den Mitmenschen, dass man sich zwar entwickelt und reifer wird. Im Kern bleibt man immer derselbe Mensch.
Ich habe inzwischen mehr als 30 Jahre Erfahrung im Fussball. Es wäre ja auch schade, wenn ich das nicht weitergeben könnte und irgendwo in einer Buchhaltung arbeiten würde.
Nau.ch: Wie geht es dem FC Thun heute?
Andres Gerber: Es ist eine Herausforderung und mein tägliches – und manchmal nächtliches – Thema. Ich denke viel an den Club. Es ist ein schmaler Grat, zu betonen, dass die Situation ernst ist, aber man sich trotzdem keine Sorgen machen muss. Wir arbeiten daran.
Nau.ch: Welches sind die mittel- und langfristigen Ziele des Clubs?
Andres Gerber: Klar möchten wir wieder aufsteigen, doch dies klar zu definieren, erzeugt wieder Druck. Andererseits ist ein Ziel Aufstieg in der Welt des Sports auch normal. Wir wollen jedes Spiel gewinnen und daraus würde sich ein Aufstieg ergeben.
Es gibt andere kleine Clubs, die einen Mäzen im Hintergrund haben, aber weniger verankert sind. Wir sind anders aufgestellt, Erfolg können wir nicht mit finanziellen Mitteln erzwingen.
Nau.ch: Haben Sie eine Vision für den Club?
Andres Gerber: Ja, ein Team mit Spielern aus der Region, die mit Leidenschaft, Fairness und Kampfgeist spielen. Und so ein Vorbild sind für den Nachwuchs. Mit Spielern wie Daniel Dos Santos, Lucien Dähler oder Valmir Matoshi haben wir bereits einige solche Spieler in unserer Mannschaft. Das macht mich stolz.
Nau.ch: Wie lange bleiben Sie beim FC Thun, ist es eine Art Lebenswerk?
Andres Gerber: Ein Lebenswerk vielleicht nicht gerade. Aber ich glaube in irgendeiner Form bleibe ich dem FC Thun wohl noch lange erhalten. Aber eben: Man weiss nie, was noch alles passieren wird.