Immer mehr Frauen erobern Bauernhof – trotz Vorurteilen

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Unteres Emmental 05.01.2025 - 09:04

Der Frauenanteil in der Landwirtschaft steigt. Das Geschlecht spiele im Beruf keine Rolle mehr, sagt die Selina Rohrbach (21). Vorurteile gibts aber immer noch.

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«Man muss die Sprüche abtun», sagt Selina Rohrbach (21). Sie erzählt Nau.ch über ihren Weg in die Landwirtschaft. - Nau.ch/Riccardo Schmidlin

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Frauen entscheiden sich für eine Karriere in der Landwirtschaft.
  • Nau.ch hat mit Selina Rohrbach über die Gleichstellung in der Landwirtschaft gesprochen.
  • Die 21-Jährige schloss ihre Lehre als Landwirtin ab und absolviert nun Weiterbildung.
  • Das Geschlecht spiele auf dem Hof keine Rolle mehr – es gibt aber Ausnahmen.

Bauer ein Männerberuf? Das war einmal!

Immer mehr Frauen entscheiden sich für eine Karriere in der Landwirtschaft. War 2016 jede siebte Person mit einem Abschluss in diesem Bereich eine Frau, ist es heute bereits jede fünfte.

Eine davon ist Selina Rohrbach (21) aus Wynigen im Kanton Bern.

2022 schliesst sie ihre Lehre als Landwirtin mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) ab. Seitdem ist sie auf verschiedenen Bauernhöfen tätig. Nau.ch trifft Rohrbach auf dem elterlichen Betrieb, wo sie neben ihrer Arbeit auf zwei anderen Höfen mithilft.

Aufgewachsen auf dem Bauernhof, will sie von einer Karriere in der Landwirtschaft vorerst nichts wissen. «Ich dachte immer, Fachfrau Gesundheit wäre mein Traumberuf.»

Doch dann kommt alles anders.

Auf Anraten ihres Vaters absolviert sie doch noch eine Schnupperlehre auf einem landwirtschaftlichen Betrieb. Und da nimmt es Rohrbach endgültig den Ärmel rein.

«Bei einer Frau wird genauer hingeschaut»

Angekommen in der Berufswelt, bekommt sie hin und wieder einen abfälligen Spruch über ihre Berufswahl ab. «Manchmal wurde meiner Meinung nicht so viel Beachtung geschenkt», erinnert sich die heute 21-Jährige.

Und sie ergänzt: «Bei einer Frau wird manchmal vielleicht schon genau hingeschaut, wie man etwas macht.»

Könntest du dir vorstellen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zu arbeiten?

Doch belastet hat sie das nicht. «Diese Sprüche muss man einfach abtun», erklärt sie selbstbewusst. Und: «Wenn man seine Arbeit gut erledigt, gibt es nichts zu meckern.»

Auch wenn Rohrbach als Frau noch in einer Minderheit ist, erlebt sie, dass sich in Sachen Gleichstellung viel getan hat. «Heutzutage spielt es nicht mehr so eine Rolle, ob man ein Mann oder eine Frau ist», sagt sie.

Der Fortschritt in der Technik helfe hierbei ungemein.

Zwar sei nach wie vor klar: «Bei manchen Dingen hat man als Frau schon mehr zu murksen», sagt sie. «Wenn man sich aber zu helfen weiss, ist auch das kein Problem.»

Bäuerin und Landwirtin – das ist nicht das Gleiche

Selina Rohrbach hat die Berufslehre Landwirtin EFZ abgeschlossen. Das ist nicht zu verwechseln mit einer Bäuerin mit Fachausweis.

«Das sind zwei unterschiedliche Sachen», erklärt sie. Die Bäuerin mit Fachausweis – in der männlichen Form Bäuerlicher Haushaltsleiter genannt – fokussiert sich auf den Betrieb. «Es geht um Personalführung und die Fragen, wie man kocht oder wie man einen Haushalt leitet.»

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Bäuerin und Landwirtin ist nicht das Gleiche – Selina Rohrbach erklärt den Unterschied - Nau.ch/Riccardo Schmidlin

Die landwirtschaftliche Ausbildung hingegen legt ihren Schwerpunkt auf die Nutztierhaltung oder den Ackerbau.

Rohrbach mahnt dazu, den Beruf der Bäuerin nicht zu unterschätzen. «Er ist sehr komplex – viele Dinge lernen wir Landwirtinnen und Landwirte nicht in unserer Ausbildung», sagt sie.

Doch diese Ausbildung zu absolvieren, ist nie ein Thema gewesen. «Für mich war klar, dass ich Landwirtin lernen will.»

Selina Rohrbach: «Finde es gut, wenn sich die Landwirtschaft verändert»

Von Haus aus damit aufgewachsen, dass die Landwirtschaft keine reine Männer-Domäne ist. Die Mutter hilft auf dem Hof tatkräftig mit, der Vater macht auch den Haushalt.

Selina Rohrbach bereut ihre Ausbildung keine Sekunde. «Ich kann sie jedem empfehlen, der darüber nachdenkt – es ist ein Beruf fürs Leben.»

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Selina Rohrbach blickt optimistisch in die Zukunft – sie absolviert derzeit eine Weiterbildung zur Agrotechnikerin. Was es damit auf sich hat, erzählt sie im Video. - Nau.ch/Riccardo Schmidlin

Die Herausforderungen und Verwerfungen, mit denen die Schweizer Landwirtschaft konfrontiert ist, bereiten der Emmentalerin grundsätzlich keine Sorgen. «Ich finde es gut, wenn sich die Landwirtschaft entwickelt, und ich will auch Teil dieser Entwicklung sein.»

Sie erklärt: «Wir Landwirtinnen und Landwirte suchen mehr nach Lösungsansätzen – auch uns zuliebe. Wir wollen uns nicht bemitleiden.»

Und so will auch sie sich weiterentwickeln, absolviert derzeit berufsbegleitend eine Weiterbildung zur Agrotechnikerin. Diese bietet breite berufliche Perspektiven in der Landwirtschaft, indem sie Technik und Fachwissen kombiniert. Und das auch ausserhalb des Hofs.

Frauen als Bauernhof-Chefinnen noch stark untervertreten

Die Ausbildung zur Betriebsleiterin, um selbst einen Hof zu führen, kommt für sie damit vorerst nicht infrage. Sie schliesst diesen Weg aber auch nicht aus. Den Betrieb ihrer Eltern wird in einigen Jahren ihr älterer Bruder übernehmen.

Bei den Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern hat die Landwirtschaft in Sachen Frauenförderung noch Nachholbedarf. Der Bauernverband wies den Frauenanteil im Jahr 2022 zuletzt mit 7,1 Prozent aus – weit unter dem europäischen Durchschnitt.

Schaut man sich die Entwicklung an, zeigt sich: Der Anteil an Betriebsleiterinnen ist in den letzten 15 Jahren um 2,2 Prozent gestiegen. Es geht also voran.

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