Tom Berger: Deshalb leite ich Stadtrats-Sitzung auf Schriftdeutsch

Bern,
Der Berner Stadtratspräsident Tom Berger (FDP) leitet die Ratssitzungen ab sofort auf Schriftdeutsch. Im Gastbeitrag erklärt er seinen Entscheid.

Das Wichtigste in Kürze
- Tom Berger leitete am Donnerstag im Stadtrat erstmals eine Sitzung auf Schriftdeutsch.
- Der Bruch mit einer langen Tradition sorgt für viele Reaktionen.
- Im Gastbeitrag erklärt der aktuell höchste Stadtberner und FDP-Politiker, wie es dazu kam.
Sprache ist Identität, Sprache ist mit Emotionen verbunden. Dass mein persönlicher Entscheid, die Sitzungen des Berner Stadtparlaments auf Schriftdeutsch zu leiten, Reaktionen auslösen wird, war mir bewusst.
Von der Heftigkeit dieser Reaktionen bin ich aber erstaunt und denke, vielen würde eine Prise mehr Gelassenheit guttun. Wie kam es zu meinem Entscheid?
Nicht alle verstehen Dialekt
Im Berner Stadtparlament gibt es aktuell zwei Personen, für die es schwierig ist, einer Debatte auf Dialekt zu folgen. An dieser Stelle finde ich es wichtig zu betonen, dass Bern eine Stadt an der Sprachgrenze unweit des «Röstigrabens» ist.
Über fünf Prozent der Stadtberner Bevölkerung gibt Französisch als erste Hauptsprache an. Dies als kleiner Hinweis allen voran an jene, welche aufgrund der schriftdeutschen Sprache direkt in rassistische Denkmuster verfallen.

Neben den Personen, welche in diesem Rat sitzen, geht es aber auch um die Personen, welche den Debatten als Zuhörende folgen möchten. Sei aus auf der Zuschauertribüne im Rathaus, sei es via Livestream.
Dialekt oder Schriftdeutsch – alle können frei entscheiden
Die Frage, ob es sinnvoll wäre, künftig Schriftdeutsch zu sprechen, wurde mit allen Fraktionspräsidien diskutiert.
Im Rahmen dieser Diskussion wurde unter anderem auch darauf hingewiesen, dass es auch Personen gäbe, für welche Mundart verständlicher sei als Schriftdeutsch.

Die Fraktionspräsidienkonferenz hat sich darauf verständigt, dass künftig alle frei entscheiden können, ob sie Dialekt oder Schriftdeutsch sprechen möchten. Die Aussage, das Berner Stadtparlament habe auf Schriftdeutsch umgestellt, ist somit nicht korrekt.
Schriftdeutsch – für mich sogar einfacher
Die vergangene Ratssitzung war die erste, welche ich auf Schriftdeutsch leitete. Hierbei habe ich festgestellt, dass dies für mich persönlich sogar einfacher war.
Meine Mutter kam vor 47 Jahren aus Deutschland in die Schweiz. Bereits von meiner frühesten Kindheit an war die schriftdeutsche Sprache Teil meiner Identität. Die Gespräche mit Oma, Opa, Onkeln und Tanten fanden alle auf Schriftdeutsch statt.
Während ich die Sitzungen leite, habe ich ein «Drehbuch» vor mir mit meinen Notizen zu den jeweiligen Traktanden. Dies alles in Schriftsprache. Wieso also die Schriftsprache in Dialekt übersetzen, und nicht einfach gleich die Sitzung auf Schriftdeutsch leiten? Auch wenn ich das Votum auf Mundart halte: Protokolliert wird es dann wieder in Schriftsprache.
Die Stadt Bern ist meine Heimat. Die hochdeutsche Sprache Teil meiner Identität. Durch meinen persönlichen Entscheid, die Sitzungen künftig auf Schriftdeutsch zu leiten, nehme ich niemandem etwas weg. Vielleicht mache ich die Arbeit des Berner Stadtparlaments aber ein wenig zugänglicher.
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Zum Autor: Tom Berger (FDP) ist Stadtratspräsident von Bern. Damit ist er 2025 der höchste Stadtberner.