Geissbühler-Strupler zur Digitalisierung an Schulen

Sabina Geissbühler-Strupler
Sabina Geissbühler-Strupler

Am 18.09.2024 - 02:07

Sabina Geissbühler-Strupler spricht im Gastbeitrag darüber, die vorhandenen Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Digitalisierung der Schulen zu berücksichtigen.

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Geissbühler-Strupler. - Svp

Unter diesem Titel wurde schon vor zwei Jahren vom Berner Grossen Rat eine Korrektur beim Lehrplan 21 verlangt, nämlich dass das analoge Lernen bei den 4- bis 12-jährigen Kindern im Vordergrund stehen müsse. Es zeigte sich, dass die flächendeckende Forcierung des digitalen Lernens zu verschiedenen Problemen führt und Massnahmen dringend nötig sind.

Seit 2022 wären alle Berner Schulen verpflichtet, ihren Schülerinnen und Schülern ein entsprechendes Gerät für den digitalen Unterricht zur Verfügung zu stellen. Dies stellt die Gemeinden allerdings vor finanzielle Herausforderungen. Die Kosten für die Tablets der Kinder, Lizenzen und Upgrades, aber auch für Lernplattformen, die Herstellung von Unterrichtsmaterialien und die Wartung der IT-Infrastruktur sind nicht zu unterschätzen.

Pisa-Daten zufolge hinkt Deutschland bei der Digitalisierung der Schulen anderen Ländern hinterher.
Sabina Geissbühler-Strupler mahnt den teilweise unkritischen Umgang mit der Nutzung digitaler Geräte an Schulen an. (Symbolbild) - dpa-infocom GmbH

Wie die Auswirkungen der Coronapandemie auf die Chancengleichheit gezeigt haben, können digitale Aufgabenstellungen den Präsenzunterricht in den Klassen nicht ersetzen. Kinder brauchen die Klassengemeinschaft, um den Unterrichtsstoff zu erarbeiten. Wie schon Erziehungswissenschaftler John Hattie feststellte, hat auch die Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerin und Schüler grossen Einfluss auf den Lernerfolg.

Das selbst gesteuerte digitale Lernen – wie es im Lehrplan 21 verlangt wird – gelingt nicht allen Kindern gleich gut. Gemäss einer in der Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlichten kanadischen Studie mit 4520 Kindern zwischen acht und elf Jahren sind die kognitiven Fähigkeiten wie Wahrnehmen, Denken und Verstehen schon ab zwei Stunden vor dem Bildschirm beeinträchtigt. Sind Jugendliche und Kinder häufig und lange digital unterwegs, geraten viele wegen der Reizüberflutung in eine Lust- und Interesselosigkeit. Dies zeigt sich in der Schweiz bei den digitalen Unterrichtshilfen zu den frühfranzösischen Lehrmitteln «Mille Feuilles» und «Clin d'Oeil.»

Häufiger Gebrauch von digitalen Geräten wie Tablets, Laptops und Smartphones kann zu einer Vereinsamung, asozialem Verhalten oder zu depressiver Verstimmung führen.

Schule Digitalisuerung
Die Digitalisierung an den Schulen ist allgegenwärtig, sie kann sich aber auch entwicklungspsychologisch und gesundheitlich negative auf Kinder auswirken. (Symbolbild) - dpa-infocom GmbH

Was nicht sofort per Klick geht, wird verworfen. Das Phänomen «Lazy Brain» tritt auf und zeigt sich auch bei den Ausbildungsplätzen. 798 Personalverantwortliche von Schweizer Ausbildungsbetrieben gaben bei einer Umfrage an, dass immer öfter die Ausbildungen abgebrochen würden und vielen Jugendlichen die Ausdauer fehle. Aufgaben und Probleme im Berufsalltag liessen sich eben nicht mit einem Wisch auf dem Touchscreen lösen.

Die Digitalisierung wirkt sich auch negativ auf die Gesundheit aus. Professor Dr. Norbert Pfeiffer, Direktor der Augenklinik des Universitätsspitals Mainz, weist auf die Zusammenhänge zwischen Bildschirmarbeit und zunehmender Kurzsichtigkeit von Kindern und Jugendlichen hin. Weitere gesundheitliche Folgen des immer exzessiveren Computer-, Tablet- und Handygebrauchs sind Fehlbelastungen, insbesondere der Halsmuskulatur, was zu degenerativen Veränderungen an Wirbelkörpern oder Bandscheiben führen kann.

Schüler übt Handschrift
Analoges Lernen bringe bei 4- bis 12-jährige Kindern viele Vorteile beim Lernen und der Persönlichkeitsentwicklung mit, sagt Sabina Geissbühler-Strupler - keystone

Entwicklungspsychologisch steht für 4- bis 12-jährige Kinder das analoge Lernen über den direkten Austausch, die Nachahmung, das Ansprechen aller Sinne und Erlebnisse in der Natur im Vordergrund. Das Prinzip des Lernens über Kopf, Herz und Hand, aber auch die verschiedenen Lerntypen müssen berücksichtigt werden.

Das Ziel muss ein Mehrwert beim Lernen der Kinder sein, aber nicht auf Kosten ihrer Gesundheit. Leider konnten diese Begründungen die Berner Bildungsdirektorin nicht überzeugen.

Es ist zu hoffen, dass möglichst viele Bildungsverantwortliche ihre zum Teil unkritische Beurteilung der Benützung der digitalen Geräte in der Schule zum Wohl der Kinder überdenken.

Zur Autorin: Sabina Geissbühler-Strupler (*1950) sass insgesamt 14 Jahre lang für die SVP im Berner Kantonsparlament. Überdies ist die mehrfache Mutter und Grossmutter ehemalige Nationalratskandidatin und ausgebildete Primarschullehrerin.

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