Flugzeug-Passagiere schauen laut Videos – Berner genervt

Bern,
Leser Marco K.* aus Bern nervt sich über Menschen, die im ÖV laut Videos schauen oder Musik hören. Nun erlebt er das auch erstmals bei Flügen.

Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Menschen konsumieren in öffentlichen Verkehrsmitteln laut Medien.
- Marco K.* erlebt das nun sogar bei zwei Flügen und nervt sich: «Das ist eine Sauerei!»
- Bei der Swiss kennt man das Problem nicht, bei ÖV-Betrieben hingegen schon.
- Die BLS hat deswegen sogar eine Sensibilisierungskampagne lanciert.
Das Smartphone dient längst nicht mehr nur zum Telefonieren: Es wird viel mehr für Kurznachrichten, Social Media, zum Fotografieren, Musikhören oder Videoschauen benutzt.
Vor allem der laute Medienkonsum ohne Kopfhörer im öffentlichen Raum scheint immer mehr vorzukommen. Tiktok-Videos, Sprachmitteilungen und mehr werden da laut abgespielt. Das nervt unter anderem Nau.ch-Leser Marco K.*
Gerade in öffentlichen Verkehrsmitteln: «Das gehört sich einfach nicht und macht mich hässig.» Doch was der Berner kürzlich auf seinen Flügen von Zürich nach Dublin (IRL) und zurück erlebt, ist für ihn der Gipfel.
«Als wir und alle anderen Passagiere im Flugzeug Platz genommen hatten, und auf den Start warteten, waren plötzlich laut Videos zu hören. Ich habe dann schnell festgestellt, dass dies vom Handy des Mitpassagiers am Fensterplatz eine Reihe vor mir kam.»
Die Lautstärke des Handys des Mannes, den Marco rund 50 Jahre alt schätzt, sei voll aufgedreht gewesen. Sogar Passagiere fünf Reihen weiter vorne hätten sich deswegen schon umgedreht.
«Sauerei!»
Marco: «Das ist doch eine Sauerei! Niemand will Videos oder Musik mithören, die jemand anderes auf dem Handy schaut oder hört.»
Ein anderer Mann habe dann das Kabinenpersonal darauf aufmerksam gemacht. «Die Frau von der Cabin Crew sprach dann den Mann mit dem lauten Handy an, und dieser stellte daraufhin den Ton aus. Wieso geht das nicht von Anfang an so?», fragt sich Marco.
Doch es geht noch weiter: Beim Rückflug sei er dann auch noch neben einer Passagierin gesessen, die laut ein Spiel auf ihrem Handy gespielt habe. «Ich verstehe das nicht. Kopfhörer sind quasi überall für recht wenig Geld erhältlich. Warum zeigt man nicht mehr Respekt gegenüber Mitpassagieren?»
Hat Marco einfach nur Pech oder ist Musikhören und Filmeschauen ohne Kopfhörer auch in Flugzeugen verbreitet?
Swiss erwartet «rücksichtsvollen Umgang»
«Nein, diese Beobachtung können wir in Bezug auf unsere Flüge nicht bestätigen», erklärt Swiss-Mediensprecherin Silvia Exer-Kuhn auf Anfrage von Nau.ch. Passagiere bitte man auf Swiss-Flügen beim Abspielen von Medieninhalten, Kopfhörer zu tragen, um die anderen Fluggäste nicht zu stören.
Exer-Kuhn ergänzt: «Unsere Kabinenmitarbeitenden weisen Fluggäste, die sich nicht an die Regel halten, freundlich und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl darauf hin. In der Regel befolgen die Passagiere diese Weisung auch.» Man erwarte von den Fluggästen «einen rücksichtsvollen Umgang mit den Einrichtungen und anderen Passagieren».
Bei Edelweiss setze man grundsätzlich auf gesunden Menschenverstand und die gegenseitige Rücksichtnahme, erklärt Mediensprecher Andreas Meier. Daher gebe es diesbezüglich keine konkreten Regeln.
«Es kann vorkommen, dass Passagiere während des Fluges Inhalte auf ihren mobilen Geräten ohne Kopfhörer konsumieren. Sollte die Lautstärke dabei von Mitreisenden als störend empfunden werden, interveniert unsere Cabin Crew», so Meier. In praktisch allen Fällen könne die Situation in einem klärenden Gespräch gelöst werden.
Der laute Medienkonsum ohne Kopfhörer scheint in Zügen oder Bussen öfter vorzukommen als in Flugzeugen: «Generell beobachten wir in unseren Zügen, dass Rücksicht und Respekt nicht mehr als selbstverständlich gelten», sagt etwa Stefan Locher von der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) dazu.
BLS hat Sensibilisierungskampagne gestartet
Nach BLS-Einschätzungen handle es sich um eine gesellschaftliche Entwicklung, die auch vor dem öffentlichen Verkehr nicht Halt mache. «Die meisten Menschen im Zug wollen nicht wissen, welche Musik oder welche Reels die Sitznachbarin oder der Sitznachbar auf dem Handy gerade abspielt.»
Locher ergänzt: «Deshalb haben wir im September 2024 eine Sensibilisierungskampagne lanciert, die unter anderem auf den Bildschirmen in unseren Zügen ausgestrahlt wurde.» In dieser Kampagne würden kopfhörerloses Musikhören oder «engagierte» Handygespräche thematisiert.

«Wir weisen die Fahrgäste darauf hin, dass sie Kopfhörer nutzen sowie leise und kurz telefonieren sollen.» In der Zugordnung steht zudem: «Mitreisende sind nicht durch Lärm zu stören.»
Und das nimmt die Bahn ernst. «Auf begleiteten Zügen und wo die sporadische Kontrolle oder der Sicherheitsdienst Fehlverhalten feststellt, weist unser Personal die Fahrgäste auf die Zugordnung und rücksichtsvolles Verhalten hin.»
Personen, die sich nicht an die Zugordnung oder die Anweisungen halten würden, könnten als letzte Konsequenz – trotz gültigem Fahrausweis – von der Fahrt ausgeschlossen werden.
Auch bei VBZ «ein Thema»
Auch die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) kennen das Problem, wie Mediensprecherin Mélanie Kohler auf Anfrage erklärt: «Lärmbelästigungen durch lautes Abspielen von Musik im ÖV sind für die VBZ ein Thema.»
Oftmals kläre sich die Situation, indem die Personen, die sich gestört fühlten, höflich darauf hinweisen und die angesprochene Person ihr Verhalten ändere. «Grundsätzlich lautet die Devise, dass Fahrgäste Rücksicht auf ihre Mitreisenden nehmen sollen.» Entsprechende Piktogramme in den Fahrzeugen weisen darauf hin.
Auch hier greift man durch: «Treffen VBZ-Mitarbeitende auf Fahrgäste, die laut Musik hören oder telefonieren, so weisen sie diese darauf hin. Ändern die Fahrgäste daraufhin ihr Verhalten nicht, werden sie gebeten, das Fahrzeug zu verlassen», so Kohler.
SBB appelliert an «gesunden Menschenverstand»
Die SBB hält auf Anfrage fest, dass sich der «weitaus grösste Teil» der Reisenden an die Hausordnung in den Zügen halte. Die SBB schätze die Regel, dass erlaubt sei, was nicht störe.
«Wir appellieren zudem an den gesunden Menschenverstand und die gegenseitige Rücksichtnahme», erklärt Mediensprecherin Carmen Hefti. «Reisende, die sich durch das Verhalten anderer gestört fühlen, können SBB-Personal oder andere Passagiere direkt darauf aufmerksam machen.»

Nau.ch-Leser Marco ist übrigens nicht allein. «Ich stelle fest, dass im öffentlichen Raum allgemein weniger Rücksicht genommen wird. Das Konsumieren von Musik oder längeres und lautes Telefonieren in der Öffentlichkeit nimmt zu», bestätigt Susanne Abplanalp von «Knigge Today».
Das könne mehrere Gründe haben: «Einerseits sind viele Personen in ihrer eigenen ‹Bubble› und vergessen dabei ihre Umwelt. Andererseits sind viele Personen auch egoistischer und denken zuerst an sich selber und nicht an die anderen Personen, die es stören könnte.»
Ausserdem seien einige zu faul, um Kopfhörer zu verwenden oder würden es vergessen. Einige seien sich auch schlicht nicht bewusst, dass dies stört.
Expertin: Ansprechen – ausser in der Nacht
Denn das Lärmempfinden sei bei jedem Menschen anders. «Wenn jemand selber im Gespräch ist oder Musik hört, stört ihn den Lärm von den anderen weniger, als wenn jemand allein ist und gerne seine Ruhe hat.»

Abplanalp ergänzt: «Je grösser die Stadt und je anonymer das Umfeld, desto eher neigen die Menschen dazu, sich weniger rücksichtsvoll zu verhalten. ‹Es kennt mich hier ja niemanden›, könnten einige der Störenfriede denken.» Bei Jugendlichen sei es oft auch eine Trotzhaltung oder Mutprobe, Lärm zu machen und zu beobachten, ob sich jemand getraut, sich zu wehren.
In solchen Fällen empfiehlt die Knigge-Expertin, etwas zu sagen, dabei aber nicht zu lange zu warten. Denn: «Je länger Sie sich am Lärm stören, desto aggressiver könnte dann Ihre Wortmeldung ankommen.» Dabei sollte der Ton freundlich, jedoch nicht aggressiv oder vorwurfsvoll sein.
Aber Achtung: «In der Nacht oder an abgelegenen Orten würde ich aus Sicherheitsgründen nichts sagen, um allenfalls aggressive Menschen nicht zu provozieren. Und mich in Gefahr zu bringen.»
*Name von der Redaktion geändert