Hausärzte hören auf: Gruppenpraxen lehnen Patienten wegen Ansturm ab

Andrea Schüpbach
Andrea Schüpbach

Bern 23.11.2024 - 09:00

Weil ihre Hausärzte aufhören, suchen Patienten Unterschlupf in Gruppen-Praxen. Dort kann man den Ansturm kaum bewältigen. Es werden Patienten abgelehnt.

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Wer einen neuen Hausarzt finden will, braucht Geduld. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz fehlen derzeit 2500 Hausärzte, viele Praxen gehen zu.
  • Nun platzen grössere Gruppen-Praxen aus allen Nähten.
  • Mancherorts werden in diesem Jahr keine neuen Patienten mehr aufgenommen.

Die Schweiz hat 2500 Hausärzte zu wenig. Nicht wenigen ergeht es derzeit so wie Patient Mario*, über den Nau.ch zuletzt berichtete. Der Berner musste gleich zweimal in einem Jahr den Hausarzt wechseln, weil diese jeweils keinen Nachfolger fanden.

Als nächsten Schritt beschliessen Patienten oftmals, in eine Gruppen-Praxis zu wechseln – doch so einfach ist auch das nicht.

Hast du einen Hausarzt?

Bei «Sanacare» (schweizweit über 20 Praxen) heisst es derzeit am Patienten-Telefon: keine Chance!

Erst ab 2025 würden neue Patienten aufgenommen. «Wir haben einen riesigen Ansturm von Patienten, die einen neuen Hausarzt suchen. Es kann zu grossen Wartezeiten kommen.»

«Täglich 15 Anfragen von Personen, die einen neuen Hausarzt suchen»

Gegenüber Nau.ch erzählt Marc Jungi, Stv. CEO und Leiter Medizin, Innovation und Managed Care: «Die Sanacare-Gruppenpraxis in Bern bekommt täglich Anfragen von zehn bis 15 Personen, die einen neuen Hausarzt suchen.» Noch schlimmer sei die Situation in der Innerschweiz, aber zum Beispiel auch in Biel.

Wie lange die Wartezeiten sind, hänge von der medizinischen Dringlichkeit ab. Es könne aber vorkommen, dass man bei weniger dringlichen Anliegen (Check-ups, Reiseberatungen, etc.) wochenlang auf einen Termin warten müsse.

Patienten werden nur noch im richtigen Hausarztmodell aufgenommen

Ähnlich klingt es von Leander Muheim. Er ist Vizepräsident «MediX Schweiz». Die Hausarzt-Schliessungen bemerke man bei der Zürcher Gruppenpraxis, die schweizweite Partner hat, deutlich und häufig. «Viele Praxen sind tatsächlich bereits jetzt ganz oder fast voll.»

Bereitet dir der Hausärzte-Mangel Sorgen?

Das Telefon klingle jeden Tag mit Anfragen. Nicht überall könne man aber eine positive Antwort geben. Es müssen Patienten abgelehnt werden.

«Viele unserer Praxen nehmen neue Patienten nur auf, wenn diese im richtigen Hausarztmodell versichert sind. So kann die Qualität für die bestehenden Patienten gewahrt und der Neuzustrom besser kontrolliert werden», begründet Muheim.

Praxen sind frei, wen sie aufnehmen

Dass mittlerweile schon Patienten abgelehnt werden müssen, ist auch dem Hausärzteverband bekannt.

Aber: «Die Praxen sind frei, wen sie als Patient aufnehmen. Sie sind nur in Notfällen zur Behandlung verpflichtet.»

Man schlage seit Jahren Alarm wegen des verschärften Hausärzte-Mangels, genauso seien die Forderungen seit Jahren dieselben. Nebst mehr Hausärzte-Ausbildungen müssten Praxen etwa auch bei administrativen Problemen unterstützt werden. «Leider ist bis heute nur wenig in all diesen Punkten passiert – zu wenig.»

Hier fehlen besonders viele Hausärzte

Dass es immer weniger Hausärzte gibt, hat verschiedene Gründe. Jüngere Ärzte arbeiten zum Beispiel oftmals lieber Teilzeit, was in einem Spital besser möglich ist. Zudem verdient man etwa als Spezialist deutlich besser.

Hausarzt
Je heller, desto kleiner ist die Hausärzte-Versorgungsdichte der Einwohner. - Obsan

Wo der Mangel besonders prekär ist, zeigt der sogenannte OECD-Soll-Wert. Gemäss diesem sollte es pro 1000 Einwohner jeweils einen Arzt geben. Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH warnt, dass der Wert in der Schweiz nur bei 0,8 liegt. «Auf dem Land liegt er mit 0,4 sehr deutlich darunter.»

Wird ab 2025 alles besser?

Die gute Nachricht: Beim Bund sieht man Licht am Ende des Tunnels. Céline Reymond vom BAG sagte zuletzt bei Nau.ch, dass Massnahmen ergriffen wurden. So etwa ein Sonderprogramm, das für mehr Masterabschlüsse in Humanmedizin sorgen soll.

Von 2017 bis 2020 wurden dafür 100 Millionen Franken investiert. Das soll sich jetzt auszahlen: «Ab 2025 können jährlich mindestens 1300 angehende Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden. 2016 waren es jährlich noch rund 850.»

Dass der Trend in die richtige Richtung geht, könnten auch die Zahlen des Hausärzteverbands zeigen. Während es heute noch 2500 Hausärzte (Schätzung) zu wenig gibt, sprach man 2021 bei Nau.ch noch von 4700 fehlenden Hausärzten.

*Name der Redaktion bekannt

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