Ärger um Twint-Tippfehler endet auf Polizeiposten
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Ein Tippfehler hat einen KMUler fast 200 Franken gekostet – erst, als er die Polizei einschaltet, landet das Geld nach Monaten auf seinem Konto.
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Das Wichtigste in Kürze
- Monatelang muss ein Unternehmer auf 200 Franken warten, die ein Kunde ihm schuldet.
- Denn: Dieser hat sich vertippt – so schickte der Käufer das Geld an die falsche Nummer.
- Doch das Verhalten des Kunden darauf ist «verdächtig».
«Ein Riesen-Gstürm!», ärgert sich KMU-Besitzer Walter T.* aus Huttwil BE.
Drei Monate lang wartet er auf Geld, das ihm zusteht – das aber angeblich im Twint-Nirvana verschwunden ist.
Das zumindest richtet ihm sein Kunde aus, der ihm 200 Franken schuldet.
Was ist passiert?
«Habe mich vertippt»
Im November 2024 schliessen Verkäufer T. und ein Kunde einen Deal: Der Mann kauft ihm Produkte für 200 Franken ab, sie vereinbaren eine Twint-Zahlung.
«Ich verschickte die Ware, ehe ich das Geld erhalten hatte. Das war mein erster Fehler», sagt T. zu Nau.ch.
Dass ihm dabei noch ein zweiter Fehler unterlaufen ist, merkt er erst wenig später.
Denn: T. hatte dem Kunden seine Handynummer für die Twint-Zahlung zwar geschickt – aber falsch! «Ich habe mich vertippt und die letzten beiden Zahlen vertauscht», erzählt er.
Der Kunde hat das Geld bereits an die falsche Nummer überwiesen, wie er T. mitteilt. «Sofort dachte ich, diese 200 Stutz sehe ich wohl nie wieder.»
Wer hat die 200 Franken wirklich?
Doch dann ein erster Hoffnungsschimmer: Der Berner Unternehmer probiert, bei der Nummer anzurufen – und erhält die Meldung, dass sie nicht in Betrieb sei.
Wie er von seiner Bank weiss, überweist Twint in solchen Fällen das Geld eigentlich direkt wieder an den Sender zurück. In diesem Fall also an den Kunden von T.
Doch als er diesen darauf anspricht, behauptet er, die 200 Stutz nie zurückerhalten zu haben.
T. wird skeptisch. Doch bald verschiebt sich sein Verdacht vom Kunden auf die Nummer, die das Geld versehentlich erhalten hat.
In einer E-Mail, die Nau.ch vorliegt, schreibt der Kunde: «Sie haben mir eine falsche Nummer angegeben.» Er habe bei der Bank und bei Twint «alles versucht».
Denn: Als er probiert, die Nummer via Whatsapp zu kontaktieren, sieht er, dass die Nachricht ankommt. Die Nummer scheint also doch zu existieren.
Behält hier etwa jemand unrechtmässig seine 200 Franken?
Tippfehler endet auf dem Polizeiposten
Monate vergehen – doch die falsche Nummer ignoriert jeden Kontaktversuch. Und der Kunde beharrt darauf, dass er nichts weiter tun könne.
«200 Franken sind schon ein Betrag – darum wollte ich nicht so leicht aufgeben», sagt T. Im Februar reicht es ihm schliesslich. Er geht in Huttwil auf den Polizeiposten.
Die Kapo Bern bestätigt auf Anfrage, dass sie den Mann zu der Angelegenheit beraten hat.
Vereinbart wird: «Dass wenn der Betrag weiterhin nicht bezahlt wird, sich die Person nochmals auf der Polizeiwache meldet, um Anzeige zu erstatten.»
T. informiert auch den Kunden über seinen Polizeibesuch, wie er erzählt. Und siehe da – plötzlich kommt Bewegung in die Sache.
«Der Kunde sagte mir, er habe das Geld jetzt tatsächlich zurückerhalten. Die Nummer habe einer Frau gehört, die ins Ausland ausgewandert ist.» Darum habe es so lange gedauert, bis das Geld bei ihm war.
Kurz darauf liegen die 200 Franken auf dem Konto von Walter T.
Konsumentenschützerin: «Kunde scheint mir verdächtig»
Ob der Kunde die Wahrheit sagt und wo das Geld tatsächlich über die Monate liegen blieb, ist unklar. Beim Konsumentenforum zeigt man sich jedoch skeptisch.
«Mir scheint der Kunde etwas verdächtig zu sein …», sagt Geschäftsführerin Babette Sigg zu Nau.ch.
«Wir hatten zwar schon Fälle, bei welchen Zahlungen an nicht existierende Empfänger gingen. Das wurde von Twint umgehend korrigiert, beziehungsweise das Geld wurde gar nicht erst überwiesen.»
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Das Konsumentenforum habe keine Kenntnis von Konsumenten, die ihr nachweislich falsch versandtes Geld nicht zurückerhielten. Sie warnt: «Ungerechtfertigte Geldsendungen zu behalten, ist ein Strafbestand.»
Darum reiche es meist, wenn man den falschen Empfänger kontaktiere und bittet, das Geld zurückzusenden. Klappt das nicht, könne meist die Bank weiterhelfen.
«Als dritter Schritt bleibt, Anzeige zu erstatten», sagt Sigg.
Zahlung an Nummer ohne Twint kommt in vier Tagen zurück
Eine Anfrage bei Twint erhärtet Siggs Verdacht, dass das Geld womöglich doch bei T.s Kunden hängenblieb.
Twint-Sprecherin Demet Biçer erklärt nämlich bei Nau.ch: «Wenn mit einer Nummer kein Twint-Konto verknüpft ist, wird der entsprechende Betrag nach vier Tagen automatisch zurückerstattet.»
Sowieso müsse für geschäftliche Twint-Zahlungen eigentlich ein QR-Code-Sticker oder ein Zahlungsterminal verwendet werden.
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Dass falsch getwintetes Geld nicht zurückkomme, seien «isolierte Einzelfälle».
Konsumentenschützerin Sigg mahnt: «Auch wir Konsumenten tragen Verantwortung.»
Nach der dreimonatigen Twint-Odyssee prüft sicherlich auch Walter T. seine Geschäftsnachrichten vor dem Abschicken noch sorgfältiger.
*Name von der Redaktion geändert